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Der Raum zwischen den Tönen - XVI

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"Urlaub" hat, wie das Wort "Ausgang", für mich einen seltsamen Klang, es setzt Gefangenschaft voraus. – Endo Anaconda

Einer meiner Ex-Freunde ist Österreicher. Er hat viele Jahre in Bern gelebt. Eines Tages brachte er ein Album von Stiller Has mit nach Hause, Moudi.
Mein Ex-Freund hatte mehrere Beziehungen. Wahrscheinlich lernte er Stiller Has über eine Frau aus Bern kennen. Das Album gefiel mir. Wenigstens profitierte auch ich davon, dass er nicht nur mit mir zusammen war.

Endo Anaconda

1401 Endo Anaconda 09 Main Text Image Gwendolyn Masin Bild: Manuel Liechti

Endo Anaconda hatte eine raue Stimme von der Art, wie man sie mit Zigaretten, Whisky und anderen Drogen kultiviert. Seine Texte waren jedoch oftmals das genaue Gegenteil von rau. Vielleicht mag ich die Aare nicht zuletzt deshalb so gerne, weil ich den Stiller Has-Song im Ohr habe: «Gang doch e chli der Aare naa.» Endos Lieder deckten das gesamte Spektrum von poetisch bis absurd ab. Die 1990er und 2000er Jahre waren eine gute Zeit für Musik in den Hitparaden. Es gab so viele Themen. Endo verlieh ihnen aber etwas Künstlerisches. Er brachte Dada ins Radio. Ausserdem spiegelte er etwas von der Tristesse wider, die ich in dieser grauen Stadt mit den sanften Almen um sie herum selbst spürte. Endo passte hier nicht her – und damit konnte ich mich identifizieren. Nur dass es Endo egal war, ob er in ein Schema passte – oder überhaupt hineinpassen wollte. Diesen Mut bringen viele von uns erst auf, wenn wir älter werden.
Von Endo lernte ich Bärndütsch, weil ich unablässig seine Songs hörte. Er und Kuno – die beiden Poeten der Stadt.

Ich kaufte seine Kurzgeschichten, Sofareisen. Auf dem Titel prangte ein gezeichnetes Porträt von Endo – er war eben eine echte Ikone.

Irgendwann, wie es in dieser kleinen Stadt so geht, lernte ich Endo kennen. Als ich ihm das erste Mal begegnete, fand ich es schwierig das, was ich von ihm gelesen hatte, mit dem in Einklang zu bringen, was ich sah. Ich traf ihn oft in Bars. Etwas zu laut, etwas zu betrunken. Mortuis nihil nisi bonu. Was man über ihn sagen kann: Er war ehrlich und bemerkenswert selbstbewusst. Er lebte seine Geschichten.
Sein Schreibstil war samtig. Und in seinen letzten Jahren wurde er selbst immer mehr wie Samt: weicher, nüchterner, freundlicher, und dabei immer noch sehr lustig und selbstironisch.

Endo ist gestorben, plötzlich. Er hinterlässt Kinder und Patchwork-Familien in tiefer Trauer über den Verlust dieses exzentrischen und überaus inspirierenden Menschen.
Möge sein Werk weiterhin viele inspirieren und sein Geist nicht im Universum verloren gehen: «Verlore wie ne gagu /Schwäbeni durchs läären all».

In freundschaftlichem Gedenken,
Gwendolyn

Für Endo

GM Valse Triste Screenshot Gwendolyn Masin

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