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Der Raum zwischen den Tönen - XXIII

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«Die Funktion der Freiheit ist es, jemand anderen zu befreien.» – Toni Morrison

Wir leben in unbequemen Zeiten. Auf dem Weg zur Probe in der Strassenbahn sah ich heute eine Frau, die ein Schild um den Hals trug, auf dem die ukrainische Flagge zu sehen war, mit der Aufschrift «Freiwilliger:in». Mit ihr unterwegs waren eine junge Frau und ein Junge, vermutlich ihr Sohn. Sie hatten nur einen einzigen Koffer dabei und sahen beide blass und müde aus. Mit der Freiwilligen tauschten sie jedoch Witze auf Ukrainisch aus, lächelten und lachten. Die Art von Lachen, die man wohl nur zustande bringen kann, wenn man Überlebenstechniken anwenden musste, die ich mir nicht im Entferntesten vorstellen kann. Empathie gegenüber anderen und der tiefe Wunsch nach einem stabilen, friedlichen Zusammenleben mit unseren Freunden und Nachbarn ist es, was hoffentlich die meisten von uns motiviert. Neben dem Krieg in der Ukraine und in vielen anderen Ländern gibt es noch eine andere, anhaltende Aggression: die gegen Frauen.

Es ist eine unbequeme Wahrheit, vor der wir alle bestenfalls die Augen verschliessen, aber der Mord an Ashling Murphy Anfang des Jahres ist eine Geschichte, die mich seitdem nicht mehr loslässt. Ich habe in meinem Blog über den Mord an ihr geschrieben. Den Artikel finden Sie hier. Ich freue mich auf Ihre Kommentare dazu.

Meinen Gedanken begleitet eine Neuerscheinung: Leonard Bernsteins «Blues» aus West Side Story, eine Aufnahme, die das Melisma Saxophone Quartet und ich bei Orchid Classics veröffentlicht haben.

Ich wünsche Ihnen allen einen friedliche Woche.

Herzlichst
Gwendolyn

Ashling Murphy

W DSCF8331 Balazs Borocz for Ashling Murphy Blog Gwendolyn Masin

Ashling ist eine Frau Anfang zwanzig. An einem Mittwoch joggt sie um 16 Uhr einen bekannten Kanal entlang. Dort wird sie angegriffen und erwürgt. Das Ausmass der Verzweiflung in ihrer Familie und Gemeinde ist unvorstellbar. Die irische Nation ist in Schockstarre.

Doch irgendwie gelangt so die Angst vor dem männlichen Blick (im Gegensatz zur geschlechtslosen, objektlosen Idee des Unbekannten) in der Psyche eines jungen Mädchens, eingeflösst durch ihre Familie, ihre Umgebung und eine archaische Form des kollektiven Bewusstseins. Das heisst: Das Unbekannte KANN eine potenzielle Gefahr bergen – und diese Gefahr hat sehr wahrscheinlich ein Y-Chromosom. Ich will damit keineswegs sagen, dass alle Männer Raubtiere sind. Aber eine Frau wächst mit dem Wissen auf, dass sie Beute sein könnte.

Ich stelle fest, dass in den irischen Medien viel von Frauenfeindlichkeit die Rede ist, von Schweigen, wenn es um geschlechtsspezifische Gewalt geht, und von unzähligen Geschichten, die nicht in den Mainstream-Medien erscheinen. Aber ist der Tod von Ashling ein Fall von gesellschaftlich bedingter Frauenfeindlichkeit?

Die schreckliche Wahrheit ist, dass in Irland, einem Land, das dafür bekannt ist, Zusammengehörigkeit und Gleichberechtigung zu fördern, die Brutalität gegenüber Frauen Ohnmacht erzeugt. Nach Angaben von Women's Aid wurden in Irland seit 1996 244 Frauen gewaltsam ermordet. Das ist Femizid. Eine EU-Umfrage von 2014 ergab, dass 50 % aller Frauen sexuell belästigt wurden. Eine von drei Frauen hat körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt.

Moment mal. Lassen Sie mich versuchen, das anders darzustellen. Ein Viertel aller Menschen in der EU wurde schon einmal sexuell belästigt.

Ich kenne viele Frauen mit solchen Geschichten – habe aber noch nie einen Mann getroffen, der zugegeben hat, schon einmal eine Frau belästigt zu haben.

Lesen Sie den vollständigen Artikel hier.

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